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Erstes BGH-Urteil zur groben Fahrlässigkeit

Der Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Vollkaskoversicherer nach neuem Recht unter ganz bestimmten Umständen in vollem Umfang von seiner Leistungsverpflichtung befreit sein kann, wenn der Halter eines Kraftfahrzeugs im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit einen Unfall verursacht.

Der Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 22. Juni 2011 (Az.: IV ZR 225/10) entschieden, dass ein Vollkaskoversicherer nach neuem Recht unter ganz bestimmten Umständen in vollem Umfang von seiner Leistungsverpflichtung befreit sein kann, wenn der Halter eines Kraftfahrzeugs im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit einen Unfall verursacht.

Im Juli 2008 befand sich der Kläger mit seinem Pkw auf der Rückfahrt von einem Konzert, als er in einer Kurve von der Fahrbahn abkam und gegen eine Laterne prallte. Dabei entstand an dem Auto ein Schaden in Höhe von ca. 6.400,-  €. Nach dem Ergebnis einer kurz nach dem Unfall durchgeführten hatte der Kläger vor Fahrtantritt deutlich zu viel Alkohol konsumiert. Seine Blutalkohol-Konzentration betrug 2,7 Promille.

Daher wollte sich der Kaskoversicherer des Klägers wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls noch nicht einmal anteilig an dem Fahrzeugschaden beteiligen.

Der Streit endete vor dem Bundesgerichtshof, wo der Versicherte einen Etappensieg errang.

Nach Auffassung des Gerichts kann das Leistungskürzungsrecht eines Kaskoversicherers wegen grober Fahrlässigkeit im Sinne von § 81 Absatz 2 VVG ausgeschlossen sein, wenn ein Versicherter einen Unfall im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit verursacht hat und somit unzurechnungsfähig war. Damit ist kein Freibrief für exzessive Trinker gemeint, denn der Vorwurf grober Fahrlässigkeit lässt sich trotz einer möglichen Unzurechnungsfähigkeit gegebenenfalls auch aus einem vorausgegangenen Verhalten eines Versicherten herleiten. Hat ein Autofahrer vor dem Genuss von Alkohol erkennen können oder müssen, dass er im Zustand einer Unzurechnungsfähigkeit möglicherweise einen Unfall verursachen würde, so kann sich sein Versicherer ebenfalls auf grobe Fahrlässigkeit berufen und seine Leistungen vollständig versagen.

Entscheidungserheblich ist die Frage, welche Vorkehrungen ein Versicherter, der mit einem Auto unterwegs ist und beabsichtigt, Alkohol zu trinken trifft, um zu verhindern, dass er sich in alkoholisiertem Zustand ans Steuer setzt. Da das Berufungsgericht zu diesen Fragen keinerlei Feststellungen getroffen hat, wurde der Fall zur endgültigen Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

In der Urteilsbegründung betonte der BGH ausdrücklich, dass auch bei Unzurechnungsfähigkeit des Versicherten eine Kürzung der Leistungen eines Vollkaskoversicherers auf Null möglich ist. Eine Entscheidung bedarf jedoch in jedem Fall einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls.

Der BGH hat allerdings für die von vielen erhoffte Rechtssicherheit für Fälle des Kaskoschutzes bei Unfällen im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit nicht gesorgt.

Claritos Tipp: achten Sie darauf, dass die Einrede der groben Fahrlässigkeit seitens des Versicherers in den Bedingungen ausgeschlossen ist. Nicht nur in der Kfz-Versicherung, sondern auch in allen anderen Schadensversicherungen. Das kostet ein paar Euro mehr, bewahrt Sie aber im Schadensfall vor bösen Überraschungen.

Von Ákos Benkö

Seit mehr als 25 Jahren bin ich beruflich mit Finanzdienstleistungen beschäftigt: bei der Hannover Rück und viele Jahre als Geschäftsstellenleiter bei MLP bevor ich 2002 mit Jochen Sturtzkopf die auf die Finanzberatung von Akademikern spezialisierte LOYAS Private Finance AG gegründet habe. 2007 habe ich das Unternehmen verkauft.

2009 habe ich zusammen mit Johannes Zeyse die Claritos - Sozietät für Finanzplanung & Handel gegründet. Mein Themenschwerpunkt ist Investieren in Immobilien.

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