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Inflation² (1/2)

Versicherung von Wohngebäuden 2023

Teil 1: Fachchinesisch

Warum steigen im kommenden Jahr die Beiträge der Wohngebäudeversicehrung so immens stark? Für diese Entwicklung gibt es mehrere Ursachen. Kennen Sie den Baupreisindex, den Wert 1914 oder haben Sie bereits verstanden, was eine Unterversicherung bedeutet?

In Teil 1 möchte ich einen kleinen Überblick geben und die Thematik anhand einiger elementarer Fachbegriffe grob erläutern.

Der Baupreisindex

Der Baupreisindex bildet die Entwicklung der Baupreise für den Neubau sowie der Instandhaltungs- / Sanierungskosten von Wohn- und Gewerbebauten ab. Der Baupreisindex bezieht sich auf ein Basisjahr, zu dem der aktuelle Neubauwert in Euro ins Verhältnis gesetzt wird. Das Ergebnis ist der aktuelle Indexwert, veröffentlicht vom Statistischen Bundesamt.

Die meisten Gebäudeversicherungen arbeiten dabei mit dem Bezugsjahr 1914. Der Gebäudewert (wie auch alle anderen Werte) wurde damals noch in Mark (M) berechnet. Dieser Wert 1914 kann auch für Gebäude errechnet werden, die nach 1914 gebaut wurden. Dazu wird die Bausubstanz anhand von Stockwerken, Wohnfläche und Ausstattungsmerkmalen des Gebäudes bewertet und dann quasi rückwärts berechnet.

Warum ist die Indexierung des Versicherungswerts überhaupt notwendig? Um eine Gebäude adäquat zu versichern, reicht es nicht aus, wenn im Schadenfall der ursprüngliche Baupreis erstattet wird. Es ist vielmehr erforderlich, dass der aktuelle Wert vom Versicherer erstattet wird, da ja auch die Kosten für die Reparatur oder im schlimmsten Fall den Wiederaufbau auf Basis der heutigen Preise übernommen werden muss.

Verlauf des Baupreisindizes

JahrBaupreisindexgleitender
Neuwertfaktor
20131.263,0016,08
20141.289,4016,45
20151.310,3016,74
20161.330,7017,03
20171.358,3017,39
20181.396,7017,87
20191.454,3018,55
20201.523,0019,36
20211.568,3019,87
20221.668,2020,97
20231.961,4024,06
Quelle: Statistisches Bundesamt

Was sagen uns diese Zahlen:

Wert 1914 * aktueller Baupreisindex : 100 = Gebäudewert im aktuellen Jahr in Euro

Formel für die Berechnung des Neubauwerts

Oder im konkreten Beispiel:

  • 20.000 Mark (Wert 1914) x 1668,2 : 100 = 333.640 € Neubauwert im Jahr 2022
  • 20.000 Mark (Wert 1914) x 1961,40 : 100 = 392.280 € Neubauwert im Jahr 2023

Gleitender Neuwertfaktor

Da mit den Baupreisen auch die Ausgaben für die Schadenreguierung der Gebäudeversicherung steigen, benötigen die Versicherer einen Anpassungsmechanismus, um Ihre Prämien jedes Jahr der Preisentwicklung im Bauwesen anzupassen. Der gleitende Neuwertfaktor ist somit das Gegenstück zum Baupreisindex. Mit ihm wird der Versicherungsbeitrag pro Jahr bestimmt. Denn steigt der Wert Ihres Wohnobjekts, erhöhen sich auch die Kosten des Versicherers im Schadensfall.

Anders als der Baupreisindex wird der gleitende Neuwertfaktor, der auch unter dem Alias Anpassungsfaktor oder Prämienfaktor firmiert, vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) errechnet. Bei der Ermittlung des Faktors wird der Baupreisindex für Wohngebäude mit 80% gewichtet, und mit 20 % der Tariflohnindex für das Baugewerbe.

Theoretisch könnte der gleitende Neuwertfaktor auch vermindert werden, nämlich dann wenn die Baupreise fallen. In der Praxis ist er in den vergangenen Jahren mal moderat, mal deutlich gestiegen (s. obige Tabelle). Der neue Index gilt jeweils ab dem 01. Januar eines neuen Jahres für die neue Versicherungsperiode.

Wie berechnet sich nun die Beitragserhöhung?

Beispiel: Sie haben im Jahr 2021 450 € für Ihre Wohngebäudeversicherung gezahlt. Der Anpassungsfaktor stieg in 2022 von 19,87 auf 20,97 an, was einer prozentualen Steigerung von rund 5,54 %e entspricht. Ihre Versicherungsprämie wird nun um diesen Faktor angepasst. Sie steigt für das Jahr 2022 auf 474,93 €.

Im kommenden Jahr beträgt der Faktor 24,06, was einer Beitragserhöhung von 14,73 % entspricht, in Euro und Cent ausgedrückt: 544,91 €.

Unterversicherungsprinzip

Die Versicherungswertermittlung eines Gebäudes erfolgt zwar individuell, aber doch in relativ groben Rastern. Wenn der Wert eines Gebäudes wie oben gezeigt 333.640 € beträgt, ist das nicht die maximale Erstattung, die der Eigentümer von seinem Versicherer erwarten kann. Dafür sorgt das Prinzip der Unterversicherung oder besser der Verzicht darauf.

Von Unterversicherung spricht man, wenn der Wert des Hauses höher ist als der Versicherungswert. Wäre unser Beispielhaus also zum Beispiel eigentlich 417.050 € wert, wären nur 4/5 versichert, 1/5 wäre nicht versichert. Im Schadenfall würde der Versicherer die Entschädigung immer um 1/5 kürzen. Bei einem Gesamtschaden von 10.000 €, würde der Versicherer 8.000 € erstatten, 2.000 € müsste der Eigentümer selbst tragen.

Wegen der hohen Summen ist es also vor allem in der Gebäudeversicherung wichtig, dass der Versicherer den sog. „Unterversicherungsverzicht“ erklärt, damit im Schadensfall alle Kosten übernommen werden.

Die Versicherer gewähren dann Unterversicherungsverzicht, wenn die Versicherungssumme bei Vertragsabschluss (oder später) korrekt ermittelt wird. Dabei gibt es unterschiedliche Methoden, die Wertermittlung anhand der Wohnfläche, anhand eines normierten Wertermittlungsbogens oder anhand des Baupreises.

Die Folge: im Schadenfall verzichtet der Versicherer auf die Prüfung der Unterversicherung und nimmt keine Kürzung der Entschädigung wie oben erläutert vor. In diesem Fall würde der Versicherer also die gesamte Schadensumme von 10.000 € erstatten.

Selbst wenn nach einem Totalschaden und anschließend erforderlichem Wiederaufbau die Kosten höher sind als der ursprüngliche Gebäudewert, übernimmt der Versicherer die Kostensteigerung. Natürlich kann dabei aus einem Gartenhaus keine Villa werden, denn eine Voraussetzung beim Wiederaufbau ist die Errichtung nach gleicher Art und Güte. Wird das Haus beim Wiederaufbau größer oder deutlich besser ausgestattet, kann der Versicherer die zusätzlichen Kosten nicht übernehmen.

Lesen Sie die Fortsetzung

Ursachen der Beitragsanpassung: Naturgefahren und Elementarschäden, Rohstoffpreise und Baukosten.

Von Johannes Zeyse

2010 habe ich zusammen mit Ákos Benkö Claritos gegründet, um Klarheit ins Thema Finanzen und Versicherungen für unsere Kunden zu bringen. Mein fachliches Interesse gilt insbesondere dem Thema faire Produkte und nachhaltige Geldanlage. 2015 habe ich mich als Generationberater (IHK) qualifiziert, um meinen Kunden eine adäquate Begleitung in Sachen Ruhestands- und Nachfolgeplanung zu ermöglichen.

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